hypnotisches theater 

um die perfekten symptome zu präsentieren, um den idealablauf des großen hysterischen anfalls reibungslos demonstrieren zu können, wurden die hysterikas hypnotisiert. vom meister charcot höchstpersönlich oder seinen assistenten. das erlaubte den ärzten, ihre theorien an lebenden puppen zu demonstrieren. ausgelöst wurde die hypnose durch diverse trigger: licht und soundeffekte, in die augen starren, schnipsen, streicheln und vieles mehr. 
dergestalt ruhiggestellt wurde daraufhin eine hysterische attacke bei der patientin ausgelöst. zum beispiel durch kräftige kompressionen der eierstöcke. et voilà, sie zuckte und spuckte, das publikum staunte und raunte.
manchmal gab es hysterikas, die sich partout nicht hypnotisieren lassen wollten, oder auch attacken, die nicht der gewünschten dramaturgie entsprachen - dann wurde die patientin ausgewechselt, damit die präsentation adäquat weiterlaufen konnte.



charcot interpretiert die hysterie als dirigent: "charcot à la salpêtrière", 1887, andré brouillet



das theater der wiederholenden erinnerungen


es gibt nur wenige frauen, die sich nicht hypnotisieren lassen
; es gibt sogar bestimmte männer, bei denen die sache höchst einfach ist. aber man kommt
schneller und sicherere ans ziel, wenn man eine hysterika nimmt. unter ihnen sind die jüngeren vorzuziehen, sie sind sensibler und stärker einflüssen zugänglich. einige sind auch große romanleserinnen; ihre persönlichkeit entbehrt nicht einer gewissen sentimentalität: sie wird man wiederum den ordinären und offen lasziven und schmutzigen frauen vorziehen.  charcot in "iconographie photographique de la salpêtrière"

die hypnosetechnik gab charcot die freiheit eines künstlers – eines malers! –, in das ihm völlig preisgegebene „material“ einzugreifen. die hypnotische suggestion, schreibt freud, ist der malerei in dem sinn vergleichbar, in dem leonardo sie der skulptur entgegensetzt; sie arbeitet per via di porre: die suggestion deponiert (wie der maler sein pigment), suppliert, projiziert, glaciert, rahmt ein. didi-huberman in "erfindung der hysterie"



foto schiessen


auch ein plötzliches helles licht konnte einen kataleptischen zustand auslösen. augustine und andere hysterikas wurden durch den blitz der kamera hypnotisiert. die fotografie war in diesem fall keine neutrale und passive methode, um die hysterischen symptome einer patientin zu dokumentieren, sondern vielmehr eine aktive methode, um hysterische symptome zu erzeugen. sobald der blitz ausgelöst wurde, erstarrte augustine in einer katalepsie, die sie unbeweglich machte, noch bevor die aufnahme beendet war. hustvedt in "medical muses "


der tetanismus bildete einen aufschub der bewegung, der die pose und mithin die schärfe des bildes ermöglichte, und es war zugleich auch das stichhaltigste zeichen für die regellose gestikulation eines hysterischen körpers während des anfalls: es war ein fixer moment der verdrehung, ja sogar der verkrampfung. das skulpturale moment einer dennoch völlig zügellosen motorik. eine lebendige schmerzensstatue. didi-huberman in "erfindung der hysterie "



die faszination des faszinators


man blickt die kranke starr an, oder man veranlasst sie, seine fingerspitzen anzusehen. von nun an wird die versuchsperson ihnen überallhin folgen, aber ohne von ihren augen zu lassen: sie wird sich bücken, wenn sie sich bücken, und sich rasch herumdrehen, um ihren blick wieder aufzunehmen, wenn sie sich selbst umwenden. beugen sie sich schnell vor, wird die versuchsperson nach hinten fallen, und zwar augenblicklich und kerzengerade. bei diesem experiment ist die größte vorsicht geboten; die kranke wird nichts tun, um sich der schocks zu erwehren und direkt mit dem kopf aufschlagen, wenn sie nicht von einer hilfskraft aufgefangen wird. in diesem zustand der faszination ist die hypnotisierte versuchsperson vollkommen im besitz des faszinators, und wird jede person mit gewalt zurückstoßen, die sich anschickt dazwischenzutreten, es sei denn, diese person trifft die nötigen vorkehrungen und bemächtigt sich ihrerseits des blicks der versuchsperson, wie die experten sagen, um mittels der augen in eigener regie die faszination auszuüben.
bourneville in "iconographie photographique de la salpêtrière"




triggereien



es genügt, das subjekt durch einen plötzlichen lärm zu überraschen
, zum beispiel durch einen chinesischen gong, und sie wissen, wie unangenehm dies ist; die kranke macht eine geste des erschreckens und bleibt wie angenagelt an ort und stelle stehen.
régnard in "les maladies  épidémiques  de l’esprit"